Tage

Es gibt Tage, da möchten wir nicht wir selber sein, 

Tage, an denen sind wir schlichtweg so klein – mit Hut. 

In Momenten, wenn irgendwie nichts funktioniert 

und jede Bewegung uns nur weiter blamiert 

auf der Bühne des Lebens, im hellen Scheinwerferlicht, 

das sich an unseren Ecken und Kanten bricht 

so ganz ohne Gnade, so ganz ohne Gunst, 

so ganz ohne Sinn für den Mut und die Kunst, 

tagtäglich auf dieser Bühne zu stehen, 

statt einfach von ihr abzugehen. 

 

Und so stehen wir da, verlassen vom Mut, 

etwas kleiner als vorher – und der Hut steht uns gut, 

kann er doch geschickt unsere Fehler verdecken, 

wenn wir uns kauernd unter diesem verstecken. 

 

Geschneidert aus schwarzem, formschönen Samt, 

das unseren besseren Tagen entstammt, 

an denen wir glänzen, an denen wir changieren 

im Farbspiel des Lebens wie Diamanten brillieren. 

Und den Hut nur kurz lüften, um die Welt zu begrüßen, 

denn wir wissen, heute liegt sie uns zu Füßen. 

 

Doch es gibt Tage, da möchten wir nicht wir selber sein, 

sind uns selbst nur erträglich mit zwei Flaschen Wein – 

oder mehr – bis sich alles um uns dreht! 

Wir stehen neben uns, für den Ausstieg zu spät, 

dabei wollten wir doch die Vorhut sein, 

für was Neues, was Großes – doch uns fällt nichts ein. 

 

Und so stehen wir da, der Vorhut gekündigt, 

etwas kleiner als vorher, von uns selbst entmündigt. 

Das Große findet ohne uns statt, 

ein Narr, wer etwas anderes erwartet hat! 

Mehr Wein, schnell! Ich kann mich immer noch spüren, 

nicht nur Hut, heut möcht' ich auch den Kopf verlieren. 

 

Denn es gibt Tage, da möchten wir nicht wir selber sein, 

diese bestehen aus dem riesigen Schriftzug „nein!“ 

Sie sprechen weiter zu uns über Halsbruch und Bein 

und mahnen uns ständig, auf der Hut zu sein. 

Auf der Hut vor uns selbst, denn was können wir schon? 

Mit einem einzigen Hut als der Welten Lohn. 

 

Und so stehen wir da, verlassen vom Mut, 

etwas kleiner als vorher und die Hut steht uns gut, 

kann sie uns doch schützen, unsere Fehler kaschieren, 

während wir durch unser eigenes Dunkel marschieren. 

 

Sie umhüllt uns wie Seide, wie schönes Geschmeide, 

eingewebt in das ganz besondere Kleide, 

das wir an besseren Tagen tragen. 

An solchen, an denen wir uns nicht hinterfragen, 

das Kleid nur kurz zum Knicksen heben, 

um zu sagen „Hallo, hier bin ich Leben!“ 

 

Denn es gibt Tage, da möchten wir wir selber sein. 

Da möchten wir das „Ja!“ in den Himmel schreien, 

uns mit uns und der Welt da draußen vereinen. 

 

Denn an diesen Tagen spüren wir ganz gewiss, 

dass noch etwas anderes um uns ist – Obhut. 

 

Die Obhut einer höheren Kraft, 

die beständig irgendwie über uns wacht, 

zu oft gesprochen von einer höheren Macht. 

Und doch ist sie irgendwie da – 

 

ob Hut oder Obhut, das ist hier die Frage, 

die ich immer häufiger zu stellen wage, 

wenn ich mal wieder an diesen Tagen verzage, 

jene mit der besonders misslichen Lage, 

in denen ich sonst immer natürlich! Hut trage. 

 

Wer oder was ist dieses kleine Gefühl, 

das eigentlich immer nur Gutes will? 

Es leuchtet die Bühne des Lebens aus, 

ist das Publikum stumm, spendet es uns Applaus, 

es macht, dass die Schatten hinter uns fallen 

und die falschen Worte nicht ganz so laut hallen – 

 

in unseren Köpfen, die zu oft Hüte tragen, 

genährt von den Fragen, den Zweifeln, den Klagen, 

an Tagen, an denen wir kleiner sind, 

kauernd unterm Hut und für das schöne Kleid blind, 

an denen wir irgendwie nicht wir selber sind. 

 

Die Obhut spendet ein wenig Trost, 

während sie gütig unsere Gedanken liebkost, 

uns sagt, dass wir groß sind, auch ohne Hut 

und dass ein Kauern darunter uns nicht gut tut! 

So schön das Samt sich auch anfühlen mag, 

heute ist ein guter Tag! 

Weg mit dem Hut, wir brauchen ihn nicht, 

sind auch so wahrhaft Riesen, 

wenn wir sind, wie wir sind 

und uns selber genießen. 

 

Und so stehen wir da, und alles ist gut 

Etwas größer als vorher, Obhut steht uns gut. 

Kann sie uns doch schützen, unsere Fehler kaschieren 

während wir auf der Bühne des Lebens marschieren. 

 

Und das Leben tanzen – und trinken auf uns, 

denn das ist die noch viel höhere Kunst.